unsichtbar

mit dem Zug durch die Kupferschlucht

13. bis 17. April 2013

Die Fahrt mit dem Zug durch die Barranca de Cobre war für uns der absolute Höhepunkt unserer diesjährigen Tour. Die Bahnlinie verläuft von Topolobampo am Pazifik bis Ojinaga an der Grenze zur USA. Regelmäßig befahren wird allerdings nur das Teilstück zwischen Los Mochis und Chihuahua.

Die Bahnlinie ist ein Meisterwerk bahntechnischer Ingenieurkunst. Auf 673 km schraubt sich der Zug über 37 Brücken und durch 86 Tunnel auf eine Höhe von 2439 Metern. Der erste Spatenstich erfolgte 1897, aber bereits nach einem guten Jahrzehnt stoppte die mexikanische Revolution und die folgenden Kriegswirren den Bau. Erst nach dem zweiten Weltkrieg wurden die Bauarbeiten wieder aufgenommen, aber es dauerte noch bis 1961 bevor der erste Zug in Chihuahua einfuhr.

Noch heute ist der Zug die wichtigste und praktisch einzige Verbindung zwischen dem Hochland und der Küste. Eigentlich läuft der gesamte Warentransport über diese Bahnlinie. Wir haben nur das interessanteste Stück zwischen El Fuerte und Creel befahren.

Dazu stehen wir schon am frühen Morgen in der schnell höher steigenden Sonne auf dem verschlafenen Bahnhof von El Fuerte und warten mit einer handvoll weiterer Passagiere ungeduldig auf das Eintreffen des Zuges. Aber nichts rührt sich. Ab und zu kräht in einiger Entfernung ein Hahn, ein Eselskarren zuckelt vorbei und ein Hund schaut gelangweilt in die Runde. Endlich mischt sich zu dem krächzenden Hahn das langsam lauter werdende Pfeifen des Zuges. Am Horizont tauchen die Lichter der Lok auf.

Der Bahnsteig ist niedrig, die Stufen zu den Waggons recht hoch. Die Schaffner in schicker Uniform sind uns beim Einsteigen behilflich bevor sie unseren Koffer ins Abteil wuchten. Kaum haben wir im klimatisierten Abteil Platz genommen setzt sich der Zug schon in Bewegung. Und das in alle Richtungen, aber dazu gleich mehr.

Man sitzt in bequemem Sesseln, die Klimaanlage läuft schon am frühen Morgen und sorgt für leichtes Frösteln. Vor den Fenstern ziehen meterhohe Säulenkakteen im weiten Grasland vorbei. Unmittelbar muss man an alte Westernfilme denken. Allerdings wird der Blick durch die verkratzten Fenster stark getrübt. Kurzentschlossen mache ich mich auf den Weg, um nach klaren Durchblick zu suchen.

Auf der Plattform zwischen den Waggons werde ich fündig. Hier lässt sich der obere Teil der Tür öffnen, der Fahrtwind streift durchs Gesicht und man hat freien Blick nach draußen. Eine vom drohendem Pfeifen der Lok aufgeschreckte kleinere Kuhherde springt im letzten Moment von den Schienen und gibt den Weg frei. Auf dem staubigen Weg neben den Schienen hält ein Reiter sein aufgeschrecktes, etwas bockendes Pferd im Zaum.

Fast fühle ich mich wie der Reiter, denn auch der Zug gibt sich teilweise recht störrisch. Wird man in den bequemen Sesseln nur kräftig geschaukelt, so muss man auf der Plattform stehend schon ein wenig kämpfen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

Die Wagen schaukeln heftig hin und her, unter den Eisenrädern knallen die Schienenstöße ohrenbetäubend, und die dicken Gummiwülste zwischen den Waggons geben immer wieder den ungehinderten Blick nach draußen frei. Auch am Boden klaffen zeitweise zwischen den Stahlpuffern weite Abstände, die sich beim nächsten Ruckeln wieder laut scheppernd schließen. Nicht auszudenken, wenn man hier das Gleichgewicht verliert und einen unüberlegten Schritt macht.

Ständig ums Gleichgewicht kämpfend stehe ich breitbeinig an der Türe und versuche ohne irgendwo anzuschlagen die faszinierende Landschaft unverwackelt auf Fotos zu bannen. Mit langer Brennweite wird durch die Schaukelei das Zielen schon recht schwer, und oft genug ist nicht das anvisierte Objekt auf dem Foto.

Bald nähern wir uns den Bergen, die eintönige Landschaft wird abwechslungsreicher. Wir überqueren die Brücke über den Rio Fuerte. Mit knapp fünfhundert Metern die längste Brücke der Strecke und schon kurz darauf geht es in den ersten und längsten Tunnel auf unserer Fahrt. Schon wenige Kilometer weiter folgt die höchste Brücke.

Immer wieder kommen die Zugbegleiter vorbei, informieren über die interessantesten Punkte, erzählen einige Ankdoten oder reißen ein paar Witzchen. Jetzt im Nachhinein können wir sagen, dass diese Crew ganz besonders gut drauf war und so dazu beitrug, unsere erste Fahrt zu einem unvergesslichen Erlebnis werden zu lassen. Vielen Dank ;-))

Wir passieren die Grenze Sinaloa - Chihuahua, jetzt geht es in die Berge. Das Tal wird enger, die Berge rücken näher und die Gipfel immer höher. Zwischen den steil aufragenden Felswänden gibt es kaum Platz für die Bahngleise. Auf nur zwölf Kilometern geht es durch zwanzig Tunnel zum bautechnisch sehr anspruchvollem Teilstück bei Temoris. Hier schraubt sich der Zug auf drei parallelen Kehrschleifen in die Höhe. Eine große Gedenktafel erinnert an das Zusammentreffen der östlichen und westlichen Bautrupps im Jahre 1961.

In einem weitem Bogen wechselt der Zug über eine Brücke auf die andere Seite der Schlucht um in entgegengesetzter Fahrtrichtung weiter an Höhe zu gewinnen. In einem langen Tunnel beschreibt er ein U und kommt wieder in der ursprünglichen Fahrtrichtung ans Tageslicht. Weit unter uns sieht man den Streckenverlauf. Es folgen erneut rund zwanzig Kilometer mit sechzehn Tunnel und acht Brücken.

Nach jedem Tunnel gibt es neue spektakuläre Aussichten. Man kommt mit dem Fotografieren kaum noch hinterher. Jetzt bloß nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, denn ein Tunnel folgt dem anderen und die Abstände zur Tunnelwand sind teilweise sehr knapp.

Unermüdlich schraubt sich der Zug weiter in die Höhe den Berggipfeln entgegen, die Schlucht wird weiter und öffnet sich. Bald tauchen rechts und links der Gleise die ersten Häuser auf, wir erreichen Bahuichivo, die Bahnstation für Cerocahui, unserem ersten Etappenziel.

Schon zwei Tage später stehen wir erneut auf dem Bahnhof und warten auf unseren Zug. Da die Strecke bis auf wenige Ausweichstellen nur eingleisig ist muss zuerst ein von Chihuahua kommender Güterzug die Bahnstation passieren. Auf den schmalen Gitterrosten zwischen den Güterwagen sitzen einige blinde Passagiere zwischen ihrem Gepäck, die sich das Geld für die Fahrkarte sparen wollen, oder es nicht haben.

Wir dürfen bequemer reisen und erklimmen die hohen Stufen zu unseren Waggons, die diesmal von gleich vier Lokomotiven gezogen werden. Die Strecke ist immer noch bergig, aber die Täler sind weiter und Nadelbäume beherrschen das Bild.

Bald erreichen wir San Raffael, wo der Zug einen kurzen Zwischenstop einlegt. Vor den Türen, deren obere Hälfte geöffnet werden kann, drängen sich Tarahumarafrauen in ihren bunten Trachten um ihre Flechtarbeiten an die Reisenden zu verkaufen. Körbe, Vasen und Döschen in allen Größen werden den Reisenden mit ausgestreckten Armen entgegengestreckt: Alle hoffen darauf, ein wenig zu verkaufen, denn die beiden täglichen Züge sind für viele die Haupteinnahmequelle.

Nach etwa einer Viertelstunde setzt sich der Zug mit einem Ruck wieder in Bewegung und wenig später erreichen wir Posada de Barrancas, unser heutiges und weitestes Ziel auf unserer Tour. Von dort aus haben wir Divisadero mit dem unbeschreiblichen Ausblick in die Schlucht und alle Sehenswürdigkeiten um Creel herum besichtigt.

Für uns gab es nach Plan nur noch die Rückfahrt nach El Fuerte. Aber in unserem Reiseführer stand etwas von "El Lazo", der berühmten, Lasso genannten 360° Spiralschleife, bei der sich der Zug selbst überholt. Es geht zuerst unter einer Gleisbrücke hindurch, die man nach einem großem Bogen anschließend überquert. So etwas Berühmtes können wir uns doch nicht entgehen lassen.

Dazu lassen wir ein Mittagessen sausen um auf eigene Faust mit dem Zug bis Creel und mit dem Bus wieder zurück zu fahren. Nach kurzer Fahrt erreichen wir Divisadero. Hier hält der Zug etwa eine Viertelstunde. Was für ein Trubel. Händler drängen an den Zug um ihre Waren an den Mann zu bringen. Ungeduldig schieben sich die Fahrgäste ins Freie um sich mit leckeren Tacos oder anderen Köstlichkeiten an einem der vielen Essenstände zu stärken, oder einfach nur den spektakulären Ausblick in die Tiefen der Barranca de Urique zu erhaschen.

Mit lautem Pfeifen der Lok ruft man alle Fahrgäste zurück in den Zug zur Weiterfahrt. Die fliegenden Händler packen ihre Sachen ein und die ersten Comals sind schon gereinigt und fast verstaut als sich der Zug mit einem kräftigen Ruck in Bewegung setzt.

Von der weiteren Fahrt gibt es eigentlich nichts Besonderes zu berichten. Das in unserm Reiseführer so spektakulär beschriebene Lasso hätten wir fast nicht bemerkt, denn eigentlich ist es nur ein großer Bogen um einen Hügel, an dessen Ende man auf einer kurzen Brücke die zuvor befahrenen Gleise quert. Und wegen dem Hügel in der Mitte sieht man immer nur ein kurzes Stück des Zuges. Das war`s.

Am nächsten Tag blieb uns nur noch die Rückfahrt nach El Fuerte. Der Fahrplan war gewaltig durcheinander. Statt unserem Zug kam erst ein Güterzug, gefolgt von einem Pickup, der mit einem Zusatz auch auf Schienen fahren kann. Nun folgte noch der Zug in die Gegenrichtung, bevor endlich unser Zug mit reichlich Verspätung auftauchte.

Auch diesmal verbrachte ich fast die ganze Fahrt wieder am geöffneten Fenster stehend, um Fotos zu schießen, denn durch die tiefstehende Sonne waren die Berge in ein schönes warmes Licht getaucht.

Einige kleinere Waldbrände, deren Strahlungshitze schon heftig zu spüren war, sorgten für weitere Verspätung, so dass wir erst recht spät in El Fuerte ankamen.

Die Fahrt mit "El Chepe" war Teil eines von einem Reiseveranstalter durchgeführten typischen All-Inklusiv-Touri-Paketes. Da die Mitnahme des Autos auf dem Zug seit vielen Jahren nicht mehr möglich ist, haben wir uns ganz gegen unsere Gewohnheit, alles individuell auf eigene Faust zu unternehmen, für dieses Angebot entschieden. Jetzt im Nachhineien können wir sagen, dass es die bessere und sicherlich auch preiswertere Alternative war.

Sicherlich lag es auch daran, dass wir nicht in der Hauptreisezeit unterwegs waren, und daher die täglich individuell zusammengestellten Gruppen eine überschaubare Größe hatten, und in den Hotels nur wenige Zimmer belegt waren.

Für uns jedenfalls war diese Tour ein zumindest sehr beeindruckendes und unvergessliches Erlebnis, wenn nicht sogar das Highlight unserer vielen Reisen durch Mexiko. Und - wir würden diese Tour gerne nochmal zu einer anderen Jahreszeit unternehmen.

Saludos

Andrea & Wolfgang


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