unsichtbar

15. April 2013 - km 4195

Wir haben etwas später und in aller Ruhe gefrühstückt. Anschließend sind wir noch einmal durch den kleinen Ort geschlendert, und nun geht es schon wieder weiter zu unserer nächsten Etappe mit dem Zug. Eine gute Stunde dauert die Fahrt, unterbrochen von einem viertelstündigem Halt in San Rafael. Tarahumara-Frauen in ihren bunten Trachten haben schon auf den Zug gewartet und drängen sich nun an den Türen um ihre Waren anzubieten.

Kurz darauf erreichen wir die Bahnstation Posadas Barrancas. Noch eine kurze Fahrt von einigen hundert Metern mit dem Auto und wir erreichen unser direkt an den Abhang gebautes Hotel. Was für eine Aussicht. Vom Balkon schaut man direkt in die Barranca de Cobre. Immer wieder schweift unser Blick durch die scheinbar unendliche Weite der zerklüfteten Schlucht. Wir können uns kaum losreißen, aber es ist Zeit fürs Mittagessen.

Hier treffen wir unsere australischen Bekannten wieder, die mit uns von El Fuerte aus gestartet sind. Auch von hier hat man diesen unbeschreiblichen Ausblick, fast vergisst man ganz das Essen...

Nach dem Essen wandern wir ein wenig an der Kante der Schlucht entlang, um dann ein kleines Stück in die Schlucht hinab zu steigen. Einige Tarahumari leben hier in einfachen Hütten oder Höhlenwohnungen und verkaufen die hier typischen handgefertigten Flechtarbeiten. Aber auch hier hat Technik Einzug gehalten, denn auf einigen Dächern gibt es Photovoltaik-Module. Ein kurzes Stück weiter treffen wir auf dem steilen Weg auf frei herumlaufende Kühe. Wo sie hier etwas zu Fressen finden bleibt uns ein Rätsel.

Den Sonnenuntergang lassen wir uns nicht entgehen und beobachten von der Terrasse aus das sich stets verändernde Spektakel der wechselnden Farben und Schatten. Angelockt von den hier aufgehängten Tränken umschwirren uns unzähligen Kolibris, die uns in den schillernsten Farben ihre eigenwilligen Flugkünste präsentieren. Aber es gibt noch seltsamere "Vögel". Da sitzt doch tatsächlich ein Pärchen mit dem Rücken zu dieser grandiosen Aussicht und löst Kreuzworträtsel!?!

Nach dem Abendessen sitzen wir noch ein wenig mit unseren Bekannten zusammen und lassen uns von ihren Ausflügen berichten. Später genießen wir dick in Decken eingemummelt bei einem Gläschen Wein von unserem Balkon die Aussicht auf den Cañon de Cobre. Wenige kleine Lichter zeugen davon, dass auch dort weit abgeschieden einige Menschen leben. Ansonsten erhellt lediglich der Mond und der grandiose Sternenhimmel die Schlucht.

Alles sehr romantisch, wenn da nicht ein paar Ami-Tussis meinten sie wären alleine auf der Welt. Zuerst gröhlte Eine auf dem übernächsten Balkon mit einer Bekannten auf dem letzten Balkon herum. Eine Andere auf dem Balkon direkt neben uns stimmte zuerst mit ein, bevor eine lautstarke Diskussion begann. Bald unterstellte man sich gegenseitig nicht an den Problemen dieser Welt interessiert zu sein und wurde letztendlich sehr persönlich. Irgendwann wurde es uns zu bunt. Wir erklärten, heute weder an den Problemen der Welt, noch an ihren persönlichen interessiert zu sein, und lediglich diesen großarigen Moment der Stille und die Natur genießen möchten. Tatsächlich gab man Ruhe und zog sich Türen knallend in die Zimmer zurück.

Endlich konnten wir wieder die Ruhe und die Natur genießen, wenn da nicht die Kälte so langsam bis unter unsere Decken gekrochen käme. Daher gingen auch wir bald ins Zimmer und genossen den für Mexiko sehr ungewöhnlichen Luxus einer Heizung.

Am nächsten Morgen geht es mit dem Auto zu den Sehenswürdigkeiten rund um Creel. Geprägt ist die Landschaft hauptsächlich durch die eigenwilligen Steinformationen. Vorbei an "El Elefante" geht es weiter zum malerischen Lago de Arareko. Tarahumara in ihren bunten Trachten breiten ihre Flechtarbeiten und andere Artesanias zum Verkauf aus. Ein kleines Kind schläft, eingehüllt in einer bunten Decke, im Schatten eines Baumes.

So etwas sieht man hier praktisch überall. Tarahumara, die scheinbar im Nichts sitzen und auf Kundschaft warten. Wenn man nicht wüsste, dass zuweilen Busse mit Touristen vorbeikommen, kann dieser Anblick schon sehr seltsam und fast schon ein wenig gespenstisch wirken.

Weiter geht es zur Misión de San Ignacio. Hier lebt eine größere Gemeinschaft von Tarahumara weit verstreut in einer Hochebene, die sich zu einer Handelsgenossenschaft zusammengeschlossen haben, und die über einen kleinen zu entrichtenden Obulus ein wenig vom Tourismus profitieren.

Die Tarahumara sind eine ethnische Minderheit, die vor der Unterwerfung durch die spanischen Eroberer immer weiter in die unzugänglichen Schluchten der Barrancas zurückwichen. Noch heute leben sie sehr isoliert und pflegen ihre alten Bräuche und Traditionen. Viele wohnen auch heute noch in Höhlen oder vor der Witterung geschützt unter Felsvorsprüngen. Früher waren sie Herrscher über ein riesiges Gebiet, heute gehören ihre Nachfahren zu einer der ärmsten Bevölkerungsgruppen. Aber so geht es leider vielen Minderheiten in unserer heutigen Welt.

Gleich neben der kleinen staubigen Kirche aus grauen Natursteinen stößt man auf eine Solaranlage zur Wassererwärmung. Solche Gegensätze findet man hier praktisch überall. Die Gegend hat ihren Namen von den durch das Wetter und die Erosion im Laufe vieler Jahre bizarr geformten Felsen. Valle de Ranas, Tal der Frösche und Valle de Hongos, das Tal der Pilze. Obwohl Tal? Alles ist hier recht eben und mit ein wenig Fantasie entdeckt man immer mehr eigenwillige Figuren. Manche dieser tonnenschweren Brocken ruhen nur noch auf einem winzigen Punkt - jetzt nur nicht unüberlegt husten...

Einige Kilometer weiter darf man in die Wohnhöhle einer Tarahumara-Familie. Hühner, Hund und Katze tummeln sich zwischen den zum Verkauf angebotenen Handarbeiten und den wenigen persönlichen Dingen herum. Weiter im hinteren Bereich der Höhle köchelt es in Töpfen auf offener Glut unter der vom Rauch geschwärzten Decke. Alles sehr einfach, aber die Menschen machen trotz der schwierigen Lebensumstände einen zufriedenen Eindruck.

In Creel haben wir eine Stunde Zeit um uns den Ort anzusehen. Die Zeit reicht volkommen aus, denn viel zu sehen gibt es hier nicht. Wir erkundigen uns noch nach der Busverbindung von Creel nach Posadas Barrancas, denn die Fahrt mit dem Chepe auf diesem Stück ist in unserem gebuchten Programm nicht enthalten. Wir wollen es heute an unserem eigentlich freien Nachmittag auf eigene Faust machen. Die Busverbindungen sind günstig, es sollte zeitlich alles zu schaffen sein, lediglich auf unser Mittagessen müssen wir verzichten.

Auf unserem Rückweg halten wir noch an einem Aussichtspunkt und in Divisadero. Langsam wird die Zeit für unsere eigene Fahrt knapp, aber man versichert uns, dass der Zug heute auch Waggons der zweiten Klasse mitführt und dieser immer eine gute Stunde Verspätung hat. Darauf könnten wir uns verlassen. Hier in Divisadero wollten wir nicht auf den Zug warten, denn mit zu viel Verspätung erreichen wir den letzten Bus in Creel nicht mehr, und dann sitzen wir hier fest.

Ja, unser Zug kam "pünktlich" mit einer guten Stunde Verspätung an, und nach kurzer Fahrt waren wir wieder für eine viertelstündige Pause in Divisadero. Welch ein Unterschied, waren eben die meisten Stände verwaist herrscht jetzt Hochbetrieb. Die beiden Züge, die täglich hier halten sind für die Händler der Höhepunkt des Tages.

Bauern schleppen Taschen mit Obst und Gemüse auf die Gleise um es dort direkt am Zug zu verkaufen. Auf den Comals brutzeln leckere Tortillas mit allerlei Gemüse und Fleisch und werden lautstark angeboten. Schon bald ist die Hektik und das Gewusel vorbei, denn der Zug fährt weiter. Die ersten Händler ziehen schon mit ihren Waren weiter, und viele Comals sind schon fast gereinigt und verstaut.

Auf der weiteren Zugfahrt gibt es nicht viel Spektakuläres, und von der Lasso genannten großen Kehre bekommt man nicht viel mit, da man rund um einen Hügel fährt. Man bemerkt es erst, wenn man eine kurze Brücke überquert und unter sich die die Gleise sieht. Das war`s.

Wenige Minuten nach Abfahrt des vorletzten Busses erreichen wir Creel, und ausgerechnet dieser Bus fuhr auf die Minute pünktlich. Eine Stunde dürfen wir auf den nächsten und letzten Bus warten und entdecken "Hangovers-Hospital". Eine Kneipe für alle, die den letzten Bus verpassen, oder sonstwie hier versacken. Hiervon wollen wir allerdings keinen Gebrauch machen.

Unser Bus kommt mit reichlich Verspätung, und hält fast an jeder Ecke an, um jemanden ein- oder aussteigen zu lassen. Unsere Hochrechnung auf unsere Ankunft im Hotel lässt uns Schlimmes befürchten. Wenn es so weitergeht werden wir das Abendessen verpassen! Wir erreichen Posadas Barrancas um zehn vor acht und hetzen zum Hotel. Gerade noch rechtzeitig, bevor die Küche schließt.

Am nächsten Morgen geht es wieder mit unseren gebuchten Touren weiter. Zuerst schweben wir mit der drittlängsten Seilbahn der Welt in schwindelerregender Höhe von zweihundert Metern durch die Barranca de Cobre. Freie Seillänge drei Kilometer ohne eine einzige Stütze. So schweben wir auf ein Felsplateau mitten in der Schlucht. Der Ausblick ist überwältigend, ganz in der Ferne ist unser Hotel zu erkennen. Und wie immer bieten auch hier die überall gegenwärtigen Tarahumara ihre Arbeiten an.

Zurück an der Bergstation gehen wir vorbei am Piedra Volada bis Divisadero. Piedra Volada - der fliegende Stein. Ein tonnenschwerer Felsbrocken auf einer überhängenden Felsnase, dessen Gleichgewicht so instabil ist, dass er gefährlich wackelt. Zwar schaukelt er dort schon seit zig Jahren und ist eine Atraktion, aber die Erosion ist mittlerweile soweit fortgeschritten, dass man jederzeit mit dem Absturz rechnet. Unser Führer warnt uns mehrfach so eindringlich davor, dass es keiner wagt, diesen Stein zu betreten und ein wenig zu Schaukeln.

Wieder einmal sind wir in Divisadero. Noch ist alles recht ruhig, aber man bereitet sich so allmählich auf die Ankunft des Zuges vor. Das erinnert uns daran, dass auch wir gleich wieder mit dem Zug fahren werden. Diesmal leider unsere letzte Etappe, es geht zurück nach El Fuerte, wo unser Auto auf uns wartet.

Saludos

Andrea & Wolfgang


* weiter mit dem Chepe *

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